Rede des niederländischen Botschafters Ausstellung Potsdam - Deutschland
Rede des niederländischen Botschafters Ausstellung Potsdam
Bei der Eröffnung der Ausstellung in Potsdam sprach der niederländische Botschafter in Deutschland, Ronald van Roeden.
Grußwort Eröffnung Ausstellung 'Wolken und Licht- Impressionismus in Holland' in Postdam
Sehr geehrte Frau Dr. Westheider,
vielen Dank für Ihre freundliche Einladung und Begrüßung
Sehr geehrter Herr Philipp (Kurator)
Verehrte Gäste
Ich freue mich sehr, dass ich hier unter niederländischen Wolken und Licht zu Ihnen sprechen darf.
Tatsächlich, die bewegten niederländischen Himmel mit den hoch-aufgebauten, lichtgerahmten Wolkentürmen sind etwas, das man als Niederländer im Ausland vermisst. Sie spiegeln sich bei uns sogar in den Pfützen, sodass – gestatten Sie mir diese Übertreibung – jede Pfütze an große Gemälde denken lässt. Denn wie die Ausstellung hier im Barberini zeigen wird, und wie Sie, verehrte Gäste, aus der Kunstgeschichte wissen: Licht und Wolken malen zu können, das ist eine unverzichtbare Komponente der niederländischen Malereitradition.
Auf den berühmten Gemälden des 17. Jahrhundert nahm der Himmel oft mehr als die Hälfte des Raums ein.
Auch in der Literatur spiegelt sich diese, durch die bildende Kunst etablierte Wolken-Verehrung. So sah es Hendrik Marsman in seinem berühmten Gedicht „Holland“ als sehnsuchtsvolles Ziel, es als Mensch den Wolken gleichzutun. Es entfuhr ihm der bekannte Seufzer – ich paraphrasiere auf Deutsch: 'Ach, lass mich nur einen Abend in den Pfützen schimmern!'
Auf Niederländisch schrieb er jedoch 'Plassen' – ein Wort, das nicht nur für Pfützen, sondern für alle möglichen Wasser-Ansammlungen, also auch für Teich, Tümpel und Seen gebraucht wird.
Die Niederlande sind nämlich ein Land voller 'Plassen'. So tragen auch mehrere unserer Landschaften dieses Wort in ihrem Namen. Allen voran die Oostvaardersplassen, die Teil des Nationalparks Neues Land in Flevoland sind, des größten menschengemachten Naturschutzgebiets der Welt. Königspferde, See-Adler und Heckenrinder können Sie dort in freier Wildbahn erleben.
Ich möchte die heutige Ausstellungseröffnung nutzen, um ein wenig das Verhältnis der Niederländer zur Natur zur Sprache zu bringen. Denn wofür stehen die künstlerischen Strömungen, der niederländische Impressionismus, de Haagse School, der Pointilismus, die hier in Potsdam Teil der Ausstellung sind?
Sie scheinen mit ihrem Interesse an der Landschaft nahezulegen, dass es in den Niederlanden sehr viel Natur gibt. Aber, ist das tatsächlich so? Darauf lassen sich verschiedene Antworten finden:
Man könnte sagen: Eine Art unberührte Natur gibt es so gut wie garnicht.
Die Niederlande bieten in erster Linie eine Landschaft des Anthropozän: manipuliert, kontrolliert, menschengemacht! Denken wir jedoch in einem vom Wasser ausgehenden Naturbegriff, der auch den Himmel miteinschließt, dann ändert sich die Perspektive.
Selbstverständlich sind auch das Wasser und seine Kreisläufe Teil der Natur. Es bringt seine eigenen Zeitlichkeiten mit. Seine Flora und Fauna passen sich, zumindest im besten Fall, den Gegebenheiten, auf die sie stoßen, an. Gleichzeitig passt sich die menschliche Bevölkerung den Gesetzmäßigkeiten des Wassers an. Das Wasser wird, wie der Dichter Hendrik Marsman an anderer Stelle schreibt: 'gefürchtet und gehört'.
So könnte man sagen, dass unsere Beziehung zur Natur zwei sich scheinbar widersprechende Komponenten hat:
die Kontrolle und die Anpassung.
Das Gegen- und das Miteinander.
Managen und Genießen.
Wassermanagement, wie es durch die sogenannten Waterschappen betrieben wird, die gerne zur ältesten demokratischen Institution des Landes erklärt werden, ist unerlässlich. Es muss aber nicht naturfeindlich oder unästhetisch sein. Dafür steht zum Beispiel auch das Holländische Viertel in Potsdam.
Und gewissermaßen ist auch der Himmel über den Niederlanden, genährt aus der Wasserlandschaft, teilweise eine Koproduktion zwischen Zivilisation und Natur.
So ist auch die ganze Provinz Flevoland menschengemachtes, durch Einpolderung entstandenes Land. Inzwischen haben wir dort, wie schon erwähnt, faszinierende Landschaften, in denen es heute so gut wie keine menschlichen Eingriffe mehr gibt. Solche Gebiete haben die Niederlande einige zu bieten. Wieder angesiedelte Wildtiere wie die Königspferde scheinen sich oft so sicher zu fühlen, dass sie es sich zusammen mit menschlichen Säugetieren an den Plassen zum Sonnen bequem machen.
All das kam nicht ohne eine starke Naturschutzbewegung zustande. Ein wichtiger Pionier des Naturschutzes war der Lehrer und Autor Jacobus Pieter Thysse. Er war aktiv zuzeiten der Künstler:innenbewegung der Haagse School und hat es, zusammen mit seinem Kollegen und engen Freund Eli Heimans, geschafft, jungen Menschen Naturbeobachtungen nahezubringen. Ihre Naturhefte für die Jugend waren Bestseller.
Heute scheint das Mit und Gegen die Natur fast dramatische Züge angenommen zu haben. So haben die Niederlande eine gigantische Bio-Industrie, die unter anderem auch für unser berüchtigtes 'Stickstoffproblem' sorgt.
Tulpen und Schweine gibt es nirgends in derselben Dichte wie bei uns. Und andererseits Fahrräder überall – die wiederum nicht in erster Linie darum so beliebt sind, weil wir mit ihnen durch güllegetränkte Landschaften radeln. Im Gegenteil: Dünen, Deiche, Landschaftsgärten, Stadtnatur und Naturgebiete verbuchen weit mehr Radler.
Man könnte sagen: Die Natur ist derzeit der prominenteste Akteur im gesellschaftlichen Diskurs der Niederlande. Wir sind ein kleines, ambitioniertes Land, das vorführt, wie eine Gesellschaft die Begrenztheit seiner Ressourcen zwischen ökologischen und ökonomischen Werten verhandelt. Vor diesem Hintergrund bekommt die Ausstellung 'Wolken und Licht' eine besondere Aktualität.
Jede künstlerische Epoche bezeugt auch die sich wandelnde gesellschaftliche Beziehung zur Natur, wodurch Kunst und Politik in einem engen Wechselspiel stehen. So wie die zunehmende Industrialisierung des 19. Jahrhunderts in der Kunst eine Gegenbewegung zur Natur hin schuf, beschäftigt sich die niederländische Kunst des 20. Jahrhunderts unter anderem viel mit der Landschaftsstruktur, von Piet Mondrian bis Jan Dibbets. Im 21. Jahrhundert wiederum spielen Klimawandel und der Umgang mit natürlichen Ressourcen eine Rolle.
Und nicht nur die Beziehungen zur Natur, sondern auch internationale und bilaterale Beziehungen spielen letztlich eine nicht unwesentliche Rolle: Sie ermöglichen oder erschweren künstlerische Entwicklungen. Ich bin sehr froh, heute sagen zu können, dass die so erfreulichen wie stabilen bilateralen Beziehungen zwischen Deutschland und den Niederlanden zu einer Ausstellung wie 'Licht und Wolken' positiv beitragen. Durch jahrelange Vertrauensbildung und qualitativen Austausch in der Museumslandschaft kann eine Ausstellung mit wertvollsten Leihgaben wie hier im Barberini zustande kommen.
Ein großes Kompliment geht dabei an das ausgezeichnete Team des hiesigen Museums. Mit großer Freude habe ich daher die Schirmherrschaft über 'Wolken und Licht' übernommen.
Vielen Dank!